Wer bist du, wenn du niemand sein musst?
- Mareike Jonker

- 26. Sept. 2024
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 17. Nov. 2024
"Wer bist du, wenn du niemand sein musst?" Berührt dich diese Frage auch so sehr wie mich? Für mich trägt sie eine tiefe Wahrheit in sich – mal süß, mal bitter, je nachdem wie ehrlich ich in dem Moment zu mir selbst bin. Dabei lädt sie mich jedes Mal ein, ein Stück näher zu mir zu rücken und mich jenseits von Rollen, Erwartungen und Etiketten kennenzulernen. Weit weg von den Rollen, die ich mir in verschiedenen Lebenssituationen selbst zugewiesen habe oder die mir von anderen auferlegt wurden – immer in bester Absicht, aber dennoch unbewusst.
Von der Erlaubnis, ganz ich selbst sein zu dürfen
In einer Welt, die uns ständig vorgibt, wie wir zu sein haben, ist es nicht immer leicht, dieser Frage den Raum zu geben, den sie benötigt. Doch gerade in diesem Raum könnte ein Schlüssel liegen – in der Freiheit, zu sein, ohne an alten Identitäten oder Geschichten festzuhalten, die ich mir selbst immer wieder erzähle. Stattdessen darf ich lernen, mich so zu sehen und zu akzeptieren, wie ich jetzt gerade bin – mit all meinen Wünschen für das Hier und Jetzt und die Zukunft. Diese Akzeptanz geschieht jenseits von Definitionen und Kategorien, die mir vielleicht vermeintliche Sicherheit geben, möglicherweise im Kern aber nur dazu dienen, anderen Stabilität verleihen.
Was passiert, wenn du dir erlaubst, ganz du selbst zu sein? Was verändert sich und was wird dadurch möglich?
Vom Mut, authentisch und eigensinnig zu leben
In unserer Gesellschaft wird viel Wert auf Identität gelegt. Oft definieren wir uns durch das, was wir tun, besitzen oder durch die Rollen, die wir übernehmen – sei es als Super-Mom, Top-Managerin, Experte in einem Fachbereich, Leistungssportlerin oder Freigeist. Solche Definitionen schaffen Sicherheit und Zugehörigkeit, können uns aber auch einengen und unbewusst Druck erzeugen. Je nachdem, wie viel Macht wir ihnen über uns geben, lassen sie wenig Raum für Veränderung und hindern uns womöglich daran, das zu tun, was wir innerlich wirklich wollen. Dann laufen wir Gefahr, die Erlebnisse zu verpassen, die uns wirklich entsprechen und uns aufblühen lassen – Erlebnisse, die noch im Unbekannten liegen.
Was passiert, wenn wir diese Rollen für einen Moment loslassen? Was bleibt von uns übrig, wenn wir uns nicht mehr an das klammern, was wir bisher über uns geglaubt haben? Diese Gedanken können Angst machen, oder?
Vielleicht entdecken wir dann, dass wir viel mehr sind – dass wir uns ständig entwickeln, wachsen und verändern. Dass wir in jedem Augenblick die Freiheit haben, anders zu sein. Wir könnten erkennen, dass wir uns nicht auf eine einzige Identität oder Geschichte festlegen müssen, sondern dass wir uns jederzeit neu definieren können. Ganz im Kleinen, leise und dennoch spürbar oder ganz groß, umfassend und sichtbar.
Welche Rollen spielst du in deinem Leben? Und welche von ihnen hindern dich daran, das Leben zu führen, das du dir insgeheim wünschst?
Von der Freiheit, festen Halt in Identitäten zu finden
Natürlich gibt es Rollen und Identitäten, die tief in uns verwurzelt sind und uns Kraft und Halt geben. Solche, bei denen wir aus tiefer Überzeugung sagen können: Ja, das bin ich! Solche identitätsstiftenden Rollen müssen nicht zwangsläufig infrage gestellt werden, vielmehr geht es darum, sich ihrer bewusst zu sein. Zum Beispiel bin ich eine Schwester, und gleichzeitig die große Schwester. Beides ist wahr, doch ersteres empfinde ich als mir näher. Würde ich diese Verbindung zeichnen, wären es starke Wurzeln, die tief in die Erde reichen und mir Stabilität und Halt schenken.
Darüberhinaus bin ich z.B. auch eine abenteuerlustige Person, die viel Neues ausprobiert und dabei gerne über sich hinauswächst. Diese Eigenschaften nähren und tragen mich tief in meinem Inneren.
Meist spüren wir sehr genau, was uns wirklich ausmacht und welche Rollen uns aufgesetzt erscheinen. Darin liegt ein wesentlicher Unterschied.
Welche Identität gibt dir in deinem Leben Halt? Worüber würdest du sagen: Das weißt ich ganz ganz sicher über mich?
Neugier und Lebenslust als Ressourcen
Lass uns einen Moment lang den Raum der Neugierde und Abenteuerlust betreten. Diese Qualitäten sind zuverlässige Begleiter auf dem Weg zu uns selbst. Gehen wir immer wieder mit offenen Augen durchs Leben und fragen uns: „Was kann ich heute neu entdecken?“ Bleiben wir offen für uns selbst, andere und nehmen aktiv am Leben teil.
Es geht nicht darum, endgültige Antworten zu finden, sondern darum, ab und zu aus dem gewohnten Alltag auszubrechen, zu spielen, zu experimentieren und dabei neue Facetten an dir zu entdecken. Lade die Fähigkeit ein, dich zu entwickeln und offen zu bleiben. Und wenn es dir gelingt, wirst du es daran erkennen, dass es dir Freude bereitet.
Veränderung ist keine Feindin, sondern eine ständige Gefährtin, auf die du dich verlassen kannst. Denn eines ist sicher: Sie begegnet uns immer wieder, ob wir es wollen oder nicht. Wenn wir sie als Chance begreifen, bleiben wir flexibel und finden vielleicht mehr und mehr zu innerer Stärke. Mache die Veränderung hin und wieder zu deiner Verbündeten. Sie zeigt dir, dass nichts in Stein gemeißelt ist: dass du mehr bist als die Summe deiner bisherigen Erlebnisse.
Wie sieht dein Raum der Wunder aus? Was oder wer lockt deine Abenteuerlust immer wieder hervor und lädt dich ein, am großen Spiel des Lebens teilzunehmen?
Fazit: Wer sind wir, wenn wir niemand sein müssen?
Wenn wir Geschichten, die nicht die unseren sind, und Identitäten, die uns nicht wirklich berühren, loslassen, öffnen wir uns für eine neue Art des Seins. Wir sind keinen starren Definitionen oder gesellschaftlichen Erwartungen unterworfen, sondern lebendige, dynamische Wesen, die frei und selbstbestimmt ihr Leben gestalten. Diese Freiheit erlaubt es uns, zu erkennen und anzunehmen, was uns wirklich wichtig ist. Ohne den Druck, einem bestimmten Bild entsprechen zu müssen, können wir uns auf das konzentrieren, was uns wahrhaftig erfüllt. Jeden Tag können wir neu entscheiden, was uns wirklich gut tut und wie wir eigentlich leben wollen.
Wie möchtest du leben, wenn du niemand sein musst?
